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Ein See flüssigen Kohlendioxids in 1300 Meter Tiefe

Japanisch-deutsches Meeresforscherteam entdeckt ungewöhnliches Ökosystem vor der Ostküste Taiwans
 
Ein See flüssigen Kohlendioxids in 1300 Meter Tiefe
Japanisch-deutsches Meeresforscherteam entdeckt ungewöhnliches Ökosystem vor der Ostküste Taiwans


Kohlendioxid ist ein Treibhausgas, dessen Konzentration in der Atmosphäre sich in den letzten Jahrzehnten signifikant erhöht hat und das für das weltweite Ansteigen der Temperaturen verantwortlich zu sein scheint. Unter Atmosphärendruck und Temperaturen um die 20° Celsius ist Kohlendioxid gasförmig. Erhöht man den Druck und senkt die Temperatur, verflüssigt sich das Gas bis es schließlich fest als Eis (CO2-Hydrat) vorliegt.
Hoher Druck und niedrige Temperaturen sorgen dann dafür, dass das Kohlendioxid nicht mehr als freies Gas in die Atmosphäre aufsteigen kann. Diese Eigenschaft erscheint in den Augen mancher Politiker und Wirtschaftsvertreter als die Lösung, um mit den steigenden Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre fertig zu werden. Es gibt daher Pläne, dieses Gas in den Tiefen der Ozeane zu versenken.

Bild links: Übersicht über das Yonaguni Knoll IV Hydrothermalfeld im südlichen Okinawa-Trog. Bild Mitte: B ) Lion Chimney, C) Crystal Chimney, D) Weißgeflecktes Areal, E) Austritt von flüssigem CO2. (Bildquelle JAMSTEC, PNAS).Bild rechts: Shinkai 6500 (JAMSTEC)
Bild links: Crystal Chimney, Bild Mitte: Shinkai 6500, Bild rechts: Tiger Chimney (Bildquellen: JAMSTEC)
Jetzt hat ein internationales Forscherteam vor der Ostküste Taiwans in 1300 Metern Tiefe einen natürlichen See aus flüssigem Kohlendioxid entdeckt und darüber in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) berichtet. Mit dem japanischen Tauchboot Shinkai 6500 untersuchten die Wissenschaftler dieses exotische Habitat auf unbekannte Lebensformen. Kohlendioxid in flüssiger Form ist eine Chemikalie, die das Leben für Mikroorgansimen auf eine harte Probe stellt. Wegen seiner Eigenschaften als Lösemittel wird es auch für die Trockenreinigung von Kleidung genutzt. Die Forscher um Dr. Fumio Inagaki von JAMSTEC (Japan Agency for Marine Earth Science and Technology) und seine Kollegen vom Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie fanden einen negativen Effekt auf die mikrobielle Biomasse bestätigt: in der Nähe der Grenzschicht zwischen Kohlendioxidsee und dem Umgebungswasser sank die mittlere Mikrobendichte um den Faktor 100 vom 1 Milliarde Zellen pro Milliliter auf 10 Millionen. Über die Auswirkungen von CO2-Ansammlungen auf größere Lebewesen ist bisher wenig bekannt, die Forscher bemerkten aber die Abwesenheit von Tieren auf dem Meeresboden über dem CO2 See. Dafür hatten sich dort mikrobielle Spezialisten angesiedelt, die diese Kohlenstoffquelle anzapfen konnten. Nicht nur Sulfid oxidierende Mikroorganismen sondern auch Methanzehrer haben dort ihre Nische. Das Methan und das CO2 entstehen geothermisch in dem nahegelegenen Hydrothermalfeld. Die Gase bahnen sich dann ihren Weg bis kurz unter dem Meeresboden wo sie vermutlich im Kontakt mit dem kalten Meereswasser zu Eis werden, es bilden sich Gashydrate. Das Forscherteam sieht den Fund dieses extremen Habitats als Glücksfall an, denn jetzt können sie die Auswirkungen von flüssigem Kohlendioxid auf das Tiefseeökosystem genau studieren.
Max-Planck-Forscherin Antje Boetius ist begeistert „ Als Wissenschaftler denkt man immer, man hätte schon alles gesehen, und dann findet man durch Zufall dieses Wunder in der Tiefsee.“

Wie geht es weiter?
Die Forscher um Fumio Inagaki planen nun weitere Untersuchungen des CO2 Sees im Rahmen einer multidisziplinären Forschungsfahrt. Die Herausforderung wird dabei sein, die physikalischen, chemischen und biologischen Auswirkungen der CO2 Ansammlung in situ, dh direkt am Meeresboden zu untersuchen, da sich das Gas beim Bergen der Proben schnell verflüchtigt und das die chemische Zusammensetzung der Probe und auch die mikrobiellen Prozesse stark verändern könnte.


Manfred Schlösser
Referenz
Fumio Inagaki, Marcel M. M. Kuypers, Urumu Tsunogai, Jun-ichiro Ishibai, Ko-ichi Nakamura, Tina Treude, Satoru Ohkubo, Miwako Nakaseama, Kaul Gena, Hitoshi Chiba, Hisako Hirayama, Takuro Nunoura, Ken Takai, Bo B. Jørgensen, Koki Horikoshi, and Antje Boetius. Microbial community in a sediment-hosted CO2 lake of the southern Okinawa Trough hydrothermal system. Proc. Natl, Acad. Sci. USA, August 2006.

Der Artikel erscheint in der Ausgabe vom 19. September 2006.
(Online ab 19.9.2006: http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.0606083103)



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Dr. Fumio Inagaki (questions in English)
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Subground Animalcule Retrieval (SUGAR) Program, Extremobiosphere Research Center, Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology
(JAMSTEC), Yokosuka 237-0061, Japan;
Max Planck Institute for Marine Microbiology, Bremen 28359, Germany;

Dr. Marcel Kuypers 
+49 421 2028 647 [Bitte aktivieren Sie Javascript]
Max Planck Institute for Marine Microbiology, Bremen 28359, Germany;


Prof. Dr. Antje Boetius
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Max Planck Institute for Marine Microbiology, Bremen 28359, Germany;
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Prof. Dr. Bo Barker Jørgensen  
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