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Flexible oder stabile Beziehung? Manche symbiotische Bakterien können beides

09.03.2016

Wenn der Lieblingswirt die Stadt wechselt – ziehen Sie mit um, oder suchen Sie sich ein neues Stammlokal? Im Falle von Bakterien die in Symbiose mit Meereswürmern leben hängt das ganz davon ab, ob sie bei ihrem Wirt lieber vor dem Lokal oder in dem Lokal sitzen. Wissenschaftlich gesprochen: auf der Körperoberfläche lebende Bakterien sind wirtstreu, die im Körperinneren ihrer Wirte lebenden Bakterien eher standorttreu, wie Bremer Forscher nun zeigen.

 

Flexible oder stabile Beziehung? Manche symbiotische Bakterien können beides

Verschiedene Wirte mit ähnlichen Untermietern

Nematoden und Anneliden. Das sind Fadenwürmer und Ringelwürmer. Sind doch alles Würmer, könnte man meinen. „Tatsächlich sind diese beiden Stämme in etwa so verschieden wie Mensch und Schildkröte“, sagt Judith Zimmermann vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. „Trotzdem beherbergen sie eng verwandte bakterielle Symbionten.“ Diese und weitere spannende Erkenntnisse zur Flexibilität der bakteriellen Untermieter beschreiben Bremer Forscher nun im Fachjournal Molecular Ecology.


 

Die Untermieter der beiden Wurm-Tierstämme gehören alle zu einer Gruppe sehr eng verwandter Bakterien, die Candidatus Thiosymbion heißen. Diese Bakterien versorgen ihre Wirte mit Nahrung. Auf den zu den Fadenwürmern gehörigen Stilbonematinae leben sie als Ektosymbionten. „Sie umhüllen den Wurm wie ein Schlafsack, der nur den Kopf und die Schwanzspitze unbedeckt lässt“, so Zimmermann. Bei den zu den Ringelwürmern gehörigen darmlosen Wenigborstern (Oligochaeten) hingegen leben die Bakterien als Endosymbionten unter der Haut und versorgen ihre Wirte so gut mit Nahrung, dass diese sogar ihren Mund und Darm verloren haben.

„Wir haben herausgefunden, dass Bakterien dieser Gruppe scheinbar mehrfach im Laufe der Evolution zwischen Faden- und Ringelwürmern und somit auch ihre Lebensweise zwischen Ekto- und Endosymbiose gewechselt haben, so Zimmermann. „Eine solche Flexibilität ist wirklich erstaunlich, da symbiotischen Bakterien normalerweise nur an eine Lebensweise und nur eine Wirtsgruppe angepasst sind“, erklärt Mitautorin Dr. Cecilia Wentrup. „Nur durch die große Menge an neuen Daten konnten wir die eng verwobene Evolution zwischen den Symbionten dieser Meereswürmer rekonstruieren.“

Dr. Cecilia Wentrup
Unsere Forscher in der Abteilung Symbiose: Dr. Judith Zimmermann (Oben) , Dr. Cecilia Wentrup (Unten)
 
Entweder: Oberflächlich, aber treu

Trotz der großen Flexibilität sind die Symbionten ihren Wirten aber in einigen Belangen sehr treu. Auch hier erlebten Zimmermann und ihre Kollegen eine Überraschung. Denn wider Erwarten scheinen die oberflächlichen Mitbewohner ihren Wirten langfristig treuer zu sein als die verinnerlichten Untermieter. „Langfristig bedeutet hier über Millionen Jahre hinweg“, erläutert Zimmermann. „Die Beziehung zwischen Wirt und Symbiont ist bei den Fadenwürmern und ihren Bakterien sehr stabil. Sie scheinen sich im Laufe der Evolution miteinander entwickelt zu haben ohne den Partner zu wechseln.“ Nah verwandte Wirte besitzen im Falle der Fadenwürmer also auch nah verwandte Symbionten. Diese Wirtstreue fanden die Bremer Forscher bei Fadenwürmern und deren Symbionten auf der ganzen Welt - von Sylt bis in die Karibik, vom Mittelmeer bis Australien.
Oder: Innig, aber sprunghaft

Die Ringelwürmer bieten ein anderes Bild. „Bei den Ringelwürmern und ihren Symbionten geht es weniger geordnet zu“, erklärt Wentrup. Hier entscheidet nicht nur die Art des Wirts darüber, welche Bakterien sich einfinden. Vielmehr scheint der Lebensort auch eine bedeutsame Rolle zu spielen. Oft fanden die Forscher in einer bestimmten Region entfernt verwandte Wirtsarten, die aber ganz nah verwandte Bakterien beherbergen. Nah verwandte Ringelwürmer wiederum hatten oft unterschiedliche Untermieter, wenn die Proben aus verschiedenen geographischen Regionen stammten. „Eng verwandte Ringelwürmer, die in Australien und der Karibik leben, haben also nicht unbedingt eng verwandte Symbionten“, so Wentrup. „Das spricht dafür, dass die Ringelwürmer ihre symbiotischen Untermieter immer wieder mal gegen andere lokale Bakterien ausgetauscht haben.“
Wie geht es weiter?

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, wie wandelbar und voller Überraschungen die Lebensgemeinschaften des Meeres sind. „Nun wollen wir herausfinden, welche Faktoren für die unterschiedliche Stabilität und Lebensweise der Symbionten verantwortlich sind“, sagt Professorin Nicole Dubilier, Letztautorin der Arbeit und Direktorin am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. Wovon hängt es ab, ob die Bakterien von Candidatus Thiosymbion oberflächlich auf der Haut der Würmer haften bleiben oder unter der Haut der verankert sind? Wie erkennen sich die Wirte und ihre Bakterien? Und ist es wahrscheinlicher das ein Ektosymbiont zu einem Endosymbionten wird oder umgekehrt? Das zu überprüfen, machen sich Zimmermann, Wentrup und ihre Kollegen nun auf.
Oligo-stilbo-thiosymbion
Vertreter der in der vorliegenden Studie untersuchten Faden- und Ringelwürmer und ihre bakteriellen Symbionten aus der Gruppe Candidatus Thiosymbion. Auf den mittleren Abbildungen sind jeweils die Bakterienzellen grün und die Wirtszellkerne blau gefärbt. In den rechten Abbildungen sind die Symbionten mit “Ba” bezeichnet. (Quelle: J. Zimmermann (A, B), N. Leisch (C), C. Wentrup (D), M. P. Schimak (E), A.Gruhl (F), Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie).
Sampling locations Mpi
Die Forscher sammelten die Würmer in einer Vielzahl verschiedener Regionen – hier die Sant‘ Andrea Bucht auf Elba und die Insel Carrie Bow Cay in Belize. Im Sediment beider Orte findet man mit eng verwandten Symbionten zusammenlebende Faden- und Ringelwürmer. (Quelle: C. Lott, HYDRA Institut (A), J. Zimmermann (B), MPI Bremen).
Originalveröffentlichung

Judith Zimmermann, Cecilia Wentrup, Miriam Sadowski, Anna Blazejak, Harald R. Gruber-Vodicka, Manuel Kleiner, Jörg A. Ott, Bodil Cronholm, Pierre De Wit, Christer Erséus, Nicole Dubilier: Closely coupled evolutionary history of ecto- and endosymbionts from two distantly related animal phyla. Molecular Ecology. DOI: 10.1111/mec.13554

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