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Korallenschleim hilft beim Nährstoffrecycling

Einen bisher unbekannten Mechanismus, mit dem das Ökosystem der Korallenriffe lebensnotwendige Nährstoffe zurückhält und sogar noch von außen hinzugewinnen kann, hat ein Forscherteam des Max-Planck-Institutes für marine Mikrobiologie in Bremen unter Leitung von Markus Hüttel entdeckt.
 
Die Korallenriffe der subtropischen und tropischen Küsten gehören dank ihrer großen Artenvielfalt und enormen biologischen Produktivität zu den spektakulärsten Lebenräumen der Ozeane. Doch diese faszinierenden Ökosysteme sind heute durch Meeresverschmutzung und Klimaänderungen stark bedroht. Weltweit wird ein schnelles Absterben der Riffsysteme beobachtet, so dass ein Verständnis der Mechanismen, die Wachstum und Stoffkreislauf im Riff steuern, heute wichtiger denn je ist (Nature, 4. März 2004).
Korallen sondern regelmäßig und besonders während des Trockenfallens bei Ebbe grosse Mengen Schleim ab, um sich vor Austrocknung, Sedimentation und Bewuchs zu schützen und zwar in solchen Ausmassen, dass Schleimflocken den dominierenden Bestandteil des organischen Materials im Wasser Ÿber Korallenriffen ausmachen können. Die Schleimproduktion wird durch die im Korallengewebe lebenden symbiontischen Algen (Zooxanthellen) ermöglicht, die mit Licht aus Kohlendioxid, Wasser und anorganischen Nährstoffen organisches Material synthetisieren kšnnen. Fast die HŠlfte der von den Zooxanthellen so gebundenen Energie wird als Korallenschleim in das Wasser abgegeben. Obwohl diese auffällige Abgabe eine wichtige Funktion des Schleimes im Stoffhaushalt des Riffs nahelegt, blieb die Rolle dieses organischen Materials in den Stoffkreisläufen des Ökosystems Korallenriff bislang weitgehend unerforscht.
Abbildung 1: Das Satellitenbild zeigt das Heron Island- Riff mit dem grau erscheinenden Riffgürtel und der hellen Lagune. Bei Flut treibt der Korallenschleim in die Lagune und wird dort abbgebaut. (Mit Erlaubnis von Space Image ©).
Ziel der Untersuchungen, die jetzt die Wissenschaftler des Bremer Max-Planck-Instituts zusammen mit ihren Kollegen aus Australien und Jordanien auf Heron Island im australischen Great Barrier Reef durchgeführt haben, war die Erforschung der Bedeutung von Korallenschleim im Stoffkreislauf des Riffs. Die Wissenschaftler untersuchten den Weg des Schleims, angefangen bei der Ablösung von der Koralle, über die Schwebephase im Wasserkörper mit Partikelfang, bis zum Abbau der Schleimaggregate in den Karbonatsanden der Rifflagune. Die Schleimproduktion, die gemessen wurde, ist beeindruckend: Pro Quadratmeter Riff sondern allein die Korallen der Gattung Acropora 1,7 Liter pro Tag ab, und wenn es ein Tag mit einer langen Trochenfallperiode war, steigt diese Menge bis auf 4,8 Liter. Die 56 bis 80% des Schleims, die sich im Wasser lösen, dienen als Nahrungsquelle für im Wasser lebende Mikroorganismen, während der übrige gelartige, transparente Schleim zunächst lange Fäden bildet, dann milchige Filme an der Wasseroberfläche, die dann schliesslich zu zentimeterdicken Schleimteppichen zusammengeschoben werden. In diesen Teppichen, die bis zu 50 Quadratmeter gross sein können, fanden die Wissenschaftler u.a. Planktonalgen, Fadenalgen, Kleinkrebse, Kammerlinge, Fischeier, und viele Karbonatkörnchen, die für die gelbliche Farbe der Schleimaggregate verantwortlich waren. Nach wenigen Stunden hat der Teppich so viele Partikel gefangen, dass er anfängt zu zerfallen und schnell zum Meeresboden der Rifflagune zu sinken. Die Tiere und Mikroorganismen der Rifflagune fressen und verarbeiten die angereicherten Schleimaggregate und setzen als Stoffwechselendprodukte wichtige Nährstoffe frei (Ammonium, Phosphat). Durch diesen Mechanismus fördern Korallen das vielfältige Leben im Riffökosystem und gewinnen einen Teil der durch den Schleim abgegebenen Nährstoffe wieder zurück.

Wenn bei Ebbe der Wasserspiegel sinkt, verhindert der Riffgürtel um die Lagune den schnellen Ablauf des Wassers, und ein Teil des eingeschlossenen Wassers wird durch den durchlŠssigen Sand der Lagune und den porösen Sockel des Riffgürtels aus dem Riff gepresst. Dadurch wird gelöster und gallertiger Schleim in das Sediment transportiert, und die Wissenschaftler konnten durch Inkubationsexperimente beweisen, dass die Lebensgemeinschaft des Lagunensediments den Schleim mit hoher Effizienz verwerten kann. Nach Eintreten der Flut werden die aus dem Abbau resultierenden Nährstoffe aus dem Sediment gespült und stehen damit wieder den Zooxanthellen der Korallen sowie anderen pflanzlichen Organismen zur Verfügung. Damit ist der Kreis geschlossen, und die Wissenschaftler sehen damit einen Prozess verwirklicht, der dazu führt, dass die lebensnotwendigen NŠhrstoffe im Riffökosystem zurückgehalten werden. Zudem können durch die Fängigkeit des Schleimes auch Schwebstoffe, die durch das Riff treiben, dem Riffnahrungsnetz zugeführt werden. Die Bilanzierung zeigte, dass dieser Mechanismus 14-26% des Kohlenstoff-, 12-22% des Stickstoff-, und 2-3% des Phosphorverbrauches der Rifflagune deckt. Damit ist Korallenschleim eine wichtige Komponente im Stoffkreislauf des Riffškosystems und verbindet Riffsaum und Lagunensediment zu einer wirkungsvollen Einheit.

Abbildung 2: Bei extremem Niedrigwasser fallen die Korallen des Riffgürtels frei, und die Schleimproduktion erreicht ein Maximum.

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Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie
Dr. Christian Wild, Tel: 0421 2028 655, Fax: 0421 2028-690, [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Pressesprecher des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie
Dr. Manfred Schlösser, Tel: 0421-2028-704, Fax: 0421-2028-790, [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Department of Oceanography, Florida State University
Dr. Markus Hüttel, Tel: 001-850-645-1394, Fax: 001-850-644-2581, [Bitte aktivieren Sie Javascript]
 

Beteiligte Institutionen

Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Celsiusstr.1, D-28359 Bremen

Department of Oceanography, Florida State University, Tallahassee, FL 32306-4320, USA

Australian Institute of Marine Science, PMB No. 3, Townsville MC, Queensland 4810, Australia

Alfred Wegener Institut für Polar und Meeresforschung, Abteilung Benthische Ökosysteme, Am Handelshafen 12, D-27570 Bremerhaven

Marine Science Station, University of Jordan and Yarmouk University, P.O. 195, Aqaba, Jordan
 

Titel der Originalarbeit

Christian Wild, Markus Huettel, Anke Klueter, Stephan G. Kremb, Mohammed Y. M. Rasheed, and Bo B. Jørgensen, 2004, Nature 428, 66-70,'Coral mucus functions as an energy carrier and particle trap in the reef ecosystem'.
 
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