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Mikropartikel mit Gefühl

23.05.2022
Korallen beim Atmen zuschauen: Forschende entwickeln eine neue Methode zur gleichzeitigen Messung von Strömung und Sauerstoff.

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie, der Universität Aarhus und des Science for Life Institute in Uppsala hat winzige Partikel entwickelt, die den Sauerstoffgehalt in ihrer Umgebung anzeigen. So schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Mit den kleinen Kügelchen können sie Strömungen und gleichzeitig den Sauerstoffgehalt verfolgen – spannende Perspektiven für viele Forschungsgebiete, von der Biologie bis zur Physik.

Korallen beim Atmen zuschauen
Korallen beim Atmen zuschauen: Eine Spezialkamera zeichnet auf, wie die sauerstoffempfindlichen Partikel an der Korallenoberfläche vorbeifließen. So können die Forschenden den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Strömungsfeld und Sauerstoffkonzentration erkennen. © Soeren Ahmerkamp/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Die Oberfläche einer Koralle ist rau. Das harte Skelett ist besiedelt von Polypen, die ihre Tentakel ins umliegende Wasser strecken, um Nahrung herauszufiltern. Aber wie genau fließt das Wasser über die Korallenoberfläche, welche Wirbel und Strömungen entstehen, und was bedeutet das für die Versorgung der Koralle und ihrer assoziierten Algen? Bislang gab es keine Antwort auf diese Fragen. Jetzt hat ein internationales Forschungsteam um Soeren Ahmerkamp vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen, Klaus Koren von der dänischen Universität Aarhus und Lars Behrendt von der Universität Uppsala und dem SciLifeLab in Schweden eine Methode entwickelt, mit der sich Strömungen und Sauerstoffkonzentrationen gleichzeitig auf kleinstem Raum untersuchen lassen. Und tatsächlich: Nun kann man sehen, wie die Korallen mit ihren kleinen Flimmerhaaren eine Strömung erzeugen, mit der sie mehr Sauerstoff heranfächeln.

So genau und schnell wie nie

Sauerstoff und Leben sind untrennbar verknüpft, von einzelnen Zellen bis hin zu ganzen Organismen. In kleinster räumlicher und zeitlicher Auflösung, auf wenigen Mikrometern und innerhalb von Millisekunden, verändern sich Sauerstoffwerte infolge von Strömungen oder dadurch, was die Organismen machen. Bisherige Methoden haben Sauerstoffwerte und Strömungen meist getrennt gemessen, wodurch viele Zusammenhänge nicht erfasst werden konnten. Ahmerkamp und seine Kolleginnen und Kollegen machen das nun in einem: Sie messen die Sauerstoffkonzentration und Strömung gleichzeitig und mit bisher unerreichter Genauigkeit und Geschwindigkeit. Die Forschenden taufen ihre neu entwickelte Methode sensPIV. PIV ist die Abkürzung für „Particle Image Velocimetry“, eine etablierte Methode zur Strömungsmessung mit Partikeln. Nun kommt noch das „sens“ hinzu, die Partikel werden quasi gefühlvoll.

Die Arbeit war eine technische Herausforderung. In tüfteliger Kleinarbeit gelang es dem Team, winzige Kügelchen mit einem Durchmesser von unter 1 Mikrometer herzustellen, die mit einem fluoreszierenden Farbstoff getränkt sind. (Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von etwa 100 Mikrometern.) Dieser Farbstoff leuchtet umso heller, je weniger Sauerstoff vorhanden ist. „Wichtig war es vor allem, dass der Farbstoff sehr schnell auf den Sauerstoffgehalt reagiert. Zudem brauchten wir Kameratechniken, die die Fluoreszenz gut aufnehmen können“, erklärt Mitautor Farooq Moin Jalaluddin vom Bremer Max-Planck-Institut. „Mit der sensPIV-Methode sind wir nun in der Lage, auch in schnellen und kleinräumigen Strömungen mit ausreichender Auflösung zu messen.“

Nützlich für Medizin, Biologie und vieles mehr

Die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Methode sind vielfältig. Viele Organismen interagieren mit Sauerstoff, und so kann sensPIV helfen, offene Fragen in den Biowissenschaften zu beantworten. Ahmerkamp und seine Kolleginnen und Kollegen nutzten es beispielsweise nicht nur an Korallen, sondern auch um detailliert zu betrachten, wie Sauerstoff durch Sand fließt. Auch kleinskalige Stoffwechselvorgänge an Mikroben, Tieren und Pflanzen können so untersucht werden. In der Mikrofluidik, die untersucht, wie sich Flüssigkeiten auf kleinstem Raum verhalten, und in der Medizin eröffnen sich zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten.

Die erste Idee zu dieser Messmethode entstand schon vor einigen Jahren. „Aber erst durch das tolle internationale Team und unsere enge Zusammenarbeit war es möglich, dass aus der Idee nun eine funktionierende und vielseitig einsetzbare Anwendung wird“, sagt Ahmerkamp. Nun ist das Team gespannt auf die kommenden Einsatzbereiche der Methode. „Die Partikel sind nicht schwer herzustellen, wenn man erst mal weiß, wie’s geht“, so Klaus Koren. Auch an eine Weiterentwicklung der Methode wird schon gedacht: „Gerne würden wir sensPIV auch für andere Substanzen als Sauerstoff sensibilisieren. Klaus Koren ist schon wieder am tüfteln.“ sagt Lars Behrendt.

Partikelstrom
Der Strom der neu entwickelten Partikel über die Korallenoberfläche ist klar erkennbar. © Soeren Ahmerkamp/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Originalveröffentlichung

Soeren Ahmerkamp*, Farooq Moin Jalaluddin*, Yuan Cui*, Douglas R. Brumley, Cesar O. Pacherres, Jasmine Berg, Roman Stocker, Marcel MM Kuypers, Klaus Koren, Lars Behrendt: Simultaneous visualization of flow fields and oxygen concentrations to unravel transport and metabolic processes in biological systems. Cell Reports Methods. (* gleichwertiger Beitrag)

DOI: 10.1016/j.crmeth.2022.100216

Beteiligte Institutionen

  • Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, 28359 Bremen, Deutschland
  • Science for Life Laboratory, Department of Environmental Toxicology, Uppsala University, 75236 Uppsala, Sweden
  • School of Mathematics and Statistics, The University of Melbourne, Parkville, Victoria 3010, Australia
  • Alfred Wegener Institute, Helmholtz Centre for Polar and Marine Research, Bremerhaven, Germany
  • University of Lausanne, Lausanne, Switzerland
  • Institute for Environmental Engineering, Department of Civil, Environmental and Geomatic Engineering, ETH Zurich, 8093 Zurich, Switzerland
  • Aarhus University Centre for Water Technology, Department of Biology, Aarhus University, 8000 Aarhus, Denmark

Rückfragen bitte an:

Wissenschaftler

Abteilung Biogeochemie

Dr. Soeren Ahmerkamp

MPI for Marine Microbiology
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

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3130

Telefon: 

+49 421 2028-6380

Dr. Soeren Ahmerkamp

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 
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