Seitenpfad:
  • Presse
  • Doppelt hält besser: Zeitgleich Sauerstoff und Stickstoff atmen

Doppelt hält besser: Zeitgleich Sauerstoff und Stickstoff zu atmen kann die Auswirkungen menschgemachter Stickstoffeinträge mindern

26.05.2017

Wenn der Sauerstoffgehalt in ihrem Umfeld stark schwankt, können manche Mikroorganismen gleichzeitig Sauerstoff und Stickstoff atmen. So stellen sie sicher, dass ihnen nie der Atem wegbleibt - selbst wenn ihnen der Sauerstoff ausgeht.

 

Große Bereiche der Meeresküste sind von Sand bedeckt, oft erstreckt er sich bis an den Rand des Kontinentalsockels. Wasser durchströmt den Sand und liefert den ansässigen Mikroorganismen große Mengen an Sauerstoff, Nitrat und organischem Material – also reichlich zu atmen und reichlich zu essen. Das macht Sande zu hocheffizienten und sehr wichtigen ökologischen Filteranlagen: Mikroorganismen im Sand entfernen Nitrat, dass durch menschliche Aktivitäten in die Küstenmeere gelangt, und wandeln es in harmloses Stickstoffgas um. Ohne diese bakterielle Entsorgung kann es zu einer Eutrophierung des Wassers kommen, die eine Fülle von Problemen wie beispielsweise schädliche Algenblüten mit sich bringen kann.

Lebenslage mit Herausforderungen

Sandige Sedimente sind aber auch sehr dynamische Lebensräume. Wenn beispielsweise im Wattenmeer die Ebbe kommt, fallen riesige Flächen trocken. Der vorhandene Sauerstoff ist dann schnell aufgebraucht. Bei Flut verteilen Strömungen den Sand neu, was wiederum die Bedingungen für die ansässigen Mikroorganismen verändert. Die Mikroben stehen also vor großen Herausforderungen. Um hier zu überleben, müssen sie flexibel sein.

Hannah Marchant und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen haben sich genau angesehen, wie die Mikroorganismen im Sand mit dieser Herausforderung umgehen. Ihre überraschenden Ergebnisse präsentieren sie nun im Fachmagazin The ISME Journal.

Gleichzeitig Sauerstoff und Stickstoff atmen

Im Janssand, einer Sandbank im ostfriesischen Wattenmeer, analysierten die Forscher den Aufbau und die Aktivität der mikrobiellen Gemeinschaft. Zusätzlich untersuchten sie auch im Labor die Rate der Denitrifizierung (der Umwandlung von Nitrat in Stickstoffgas) unter wechselnden Bedingungen. “Wir stellten fest, dass die Mikroorganismen im Sediment zeitgleich Sauerstoff und Nitrat veratmen können”, berichtet Marchant. “Das ist überraschend, denn üblicherweise geht man davon aus, dass Mikroben erst dann Nitrat atmen, wenn ihnen der Sauerstoff ausgeht. Diese Doppelatmung wurde bisher kaum in der Umwelt beobachtet.”

Viel Ausblick, viel Sand. MPI-Wissenschaftler bei  der Probennahme im Wattenmeer bei Niedrigwasser. (Theresa Hargesheimer)
Viel Ausblick, viel Sand. MPI-Wissenschaftler bei der Probennahme im Wattenmeer bei Niedrigwasser. (Theresa Hargesheimer)
Weltweite Verteilung sandiger Sedimente (in blau). (Soeren Ahmerkamp, Max Planck Institute of Marine Mikrobiologie)
Weltweite Verteilung sandiger Sedimente (in blau). (Soeren Ahmerkamp, Max Planck Institute of Marine Mikrobiologie)

Häufige Veränderungen des Sauerstoffgehalts wirkten sogar anregend: “Die Mikroorganismen veratmeten besonders viel Nitrat in Anwesenheit von Sauerstoff, wenn sich der Sauerstoffgehalt deutlich, schnell und wiederholt veränderte“, so Marchant. Das ist nur möglich, da die mikrobielle Gemeinschaft die nötige Ausrüstung andauernd einsatzbereit hat. “Sie warten nicht, bis der Sauerstoff knapp wird, um die Denitrifizierungsmaschine aufzubauen, sondern sie ist jederzeit startklar.“

Beseitigung von menschgemachtem Stickstoff

Da die Mikroorganismen Nitrat auch dann umsetzen können, wenn Sauerstoff vorhanden ist, haben sie insgesamt mehr Zeit, um Nitrat aus dem Sand zu entfernen. Vermutlich ist die hier beobachtete Anpassung auch in anderen sandigen Sedimenten weit verbreitet. Da Sande zwischen 50 und 70 Prozent der Schelfmeere bedecken, haben wir es hier mit einem wichtigen Mechanismus zur Entfernung menschgemachten Stickstoffs aus unseren Küstengewässern zu tun. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum es bisher zu keinem Anstieg der Stickstoffwerte im offenen Ozean gekommen ist, obwohl der Mensch fortwährend große Mengen Stickstoff in die Meere bringt. Wenn ihr also das nächste Mal die Zehen in den Sand steckt – stellt Euch vor, was unter Euren Füßen gerade Spannendes passiert.

 

 

Originalveröffentlichung

Hannah K Marchant, Soeren Ahmerkamp, Gaute Lavik, Halina E Tegetmeyer,
Jon Graf, Judith M Klatt, Moritz Holtappels, Eva Walpersdorf und
 Marcel MM Kuypers
(2017): Denitrifying community in coastal sediments performs aerobic and anaerobic respiration simultaneously. The ISME Journal

doi:10.1038/ismej.2017.51

 

Rückfragen bitte an

scientist

Forschungsgruppe Biogeochemie

Dr. Hannah Marchant

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

3135

Telefon: 

+49 421 2028-6306

Dr. Hannah Marchant

Pressereferentin

Pressestelle

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
Back to Top