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Neue Erdgas-Fresser an heißen Quellen entdeckt

21.04.2020

Forschende des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, haben an heißen Quellen in der Tiefsee Mikroben entdeckt, die sich von Ethan ernähren. Ihnen gelang es auch, diese Mikroben im Labor zu züchten. Besonders bemerkenswert: Der Mechanismus, mit dem sie das Ethan abbauen, ist umkehrbar. Das könnte in Zukunft ermöglichen, mithilfe der Mikroben den Energieträger Ethan zu gewinnen. Ihre Ergebnisse erscheinen nun im Fachmagazin mBio.

Tauchgang im Golf von Kalifornien: Mit dem Tauchboot ALVIN konnten die Bremer Forscher den Meeresboden erreichen. Dort nutzen sie ALVINs Greifarm, um Sedimentkerne aus dem Meeresboden zu sammeln. Weißlich-orange gefärbte mikrobielle Matten aus schwefeloxidierenden Bakterien zeigen heiße Quellen an, an denen besonders viel Methan und andere energiereiche Verbindungen ausströmen. (© Woods Hole Oceanographic Institution)
Tauchgang im Golf von Kalifornien: Mit dem Tauchboot ALVIN konnten die Bremer Forscher den Meeresboden erreichen. Dort nutzen sie ALVINs Greifarm, um Sedimentkerne aus dem Meeresboden zu sammeln. Weißlich-orange gefärbte mikrobielle Matten aus schwefeloxidierenden Bakterien zeigen heiße Quellen an, an denen besonders viel Methan und andere energiereiche Verbindungen ausströmen. (© Woods Hole Oceanographic Institution)

Anders als Tiere, die nur Proteine, Kohlenhydrate und Fette verdauen, ernähren sich Mikroorganismen auch von einer Vielzahl anderer organischer Verbindungen. Selbst vor Erdgas machen sie keinen Halt. Forschende aus Bremen haben nun in der Tiefsee eine Mikrobe entdeckt, die Ethan frisst, welches mit einem Anteil von bis zu 15% der zweithäufigste Bestandteil in Erdgas ist.

Leben im Extremen

Die Forschergruppe um Gunter Wegener entdeckte in Zusammenarbeit mit Forschern anderer Institute die bisher unbekannten Mikroben im Meeresboden des Guaymas-Beckens in 2000 Metern Wassertiefe im Golf von Kalifornien. „Das Guaymas-Becken ist ein natürliches Labor, in dem es von neuen Arten nur so wimmelt“, so Wegener. „Verantwortlich für diese außerordentliche Vielfalt sind tief aus der Erde ausströmende heiße Fluide, die ganz unterschiedliche Arten anlocken. Wir haben schon viele Organismen aus diesem Lebensraum beschrieben.“

Laser-scanning mikroskopische Aufnahme des Ethanabbauers Ethanoperedens thermophilum (rot) und seines Partnerbakteriums Desulfofervidus auxilii (grün). Zur Identifizierung und Visualisierung werden die Organismen mit einer fluoreszenzmarkierten Gen-Sonde spezifisch eingefärbt. Der weiße Balken entspricht 10 µm. Im Labor bilden sich Konsortien bis zu einer Größe von mehreren 100 µm im Durchmesser. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/Cedric Hahn)
Laser-scanning mikroskopische Aufnahme des Ethanabbauers Ethanoperedens thermophilum (rot) und seines Partnerbakteriums Desulfofervidus auxilii (grün). Zur Identifizierung und Visualisierung werden die Organismen mit einer fluoreszenzmarkierten Gen-Sonde spezifisch eingefärbt. Der weiße Balken entspricht 10 µm. Im Labor bilden sich Konsortien bis zu einer Größe von mehreren 100 µm im Durchmesser. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/Cedric Hahn)

Teamwork beim Erdgasabbau

Manche Erdgasbestandteile wie Propan oder Butan können alleine durch Bakterien abgebaut werden. Um jedoch die Hauptbestandteile von Erdgas – Methan und Ethan – abzubauen, sind nach heutigem Forschungsstand zwei unterschiedliche Organismen notwendig, die ein sogenanntes Konsortium bilden: Archaeen, die das Erdgas abbauen, und Bakterien, die die dabei freigesetzten Elektronen mit Sulfat verbinden, welches im Meer reichlich vorhanden ist. Die biochemischen Prozesse in den Konsortien im Labor zu untersuchen, war jedoch bisher äußerst mühsam: Diese Organismen wachsen sehr langsam und teilen sich nur alle paar Monate. Daher war immer nur wenig Biomasse vorhanden.

Erstmals in Laborkultur

Bei den nun entdeckten wärmeliebenden Ethanabbauern ist das anders: „Diese Konsortien wachsen sehr viel schneller“, berichtet Cedric Hahn, Doktorand am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und Erstautor der Studie. Die Zellen verdoppeln sich jede Woche. „Die Laborkulturen halten mich ganz schön auf Trab. Aber so haben wir endlich genug Biomasse für umfangreiche Analysen. So konnten wir zum Beispiel wichtige interzelluläre Zwischenprodukte des Ethanabbaus bestimmen. Außerdem veröffentlichen wir in dieser Studie das erste vollständige Genom einer erdgasabbauenden Archaee.“

Die neu entdeckte Archaee bekam den Namen Ethanoperedens thermophilum, was soviel bedeutet wie „der wärmeliebende Ethanesser“. Ihre Partnerbakterien sind alte Bekannte aus anderen Konsortien. Katrin Knittel, die schon seit der Entdeckung der ersten methanabbauenden Konsortien an dem Thema arbeitet, merkt an: „Gensequenzen dieser Archaeen haben wir zuvor schon an vielen Tiefseequellen gefunden. Jetzt kennen wir endlich ihre Funktion.“

Cedric Hahn und Gunter Wegener vor dem Tauchboot ALVIN, mit dem sie in ihr Forschungsgebiet 2000 Meter unter der Meeresoberfläche tauchen konnten. Wegener hat bereits drei Tauchfahrten dorthin unternommen, für den Doktoranden Hahn war es eine Premiere. (© Andreas Teske)
Cedric Hahn und Gunter Wegener vor dem Tauchboot ALVIN, mit dem sie in ihr Forschungsgebiet 2000 Meter unter der Meeresoberfläche tauchen konnten. Wegener hat bereits drei Tauchfahrten dorthin unternommen, für den Doktoranden Hahn war es eine Premiere. (© Andreas Teske)

Archaeen könnten auch Kohlendioxid in Ethan umwandeln

Die Forschenden machten noch eine weitere Entdeckung: Der Ethanabbau dieser Mikrobe ist reversibel, also umkehrbar. Verwandte von Ethanoperedens könnten also aus Kohlendioxid Ethan erzeugen. Das ist hochinteressant für biotechnologische Anwendungen. Das Team um Wegener ist nun auf der Suche nach solchen Organismen. Außerdem wollen sie in Zusammenarbeit mit Kollegen Mikroben, die Methan bilden, zu Ethanbildnern umbauen. „Noch sind wir aber nicht so weit, alle Schritte des Ethanabbaus zu verstehen“, betont Rafael Laso Pérez, der seine Doktorarbeit über Butangas-abbauende Archaeen gemacht hat. „Zurzeit untersuchen wir, wie Ethanoperedens so effizient arbeiten kann. Wenn wir dessen Tricks verstehen, könnten wir im Labor neue Archaeen züchten, mit denen man Rohstoffe gewinnen kann, die zurzeit noch aus Erdgas extrahiert werden müssen.“

So hätten die hier beschriebenen Mikroben sogar doppelte Bedeutung für den globalen Kohlenstoffkreislauf und die steigende Kohlendioxidkonzentration in unserer Atmosphäre: Einerseits nutzen sie in der Tiefsee Ethan und verhindern so, dass dieses Gas an die Luft gelangt. Andererseits könnten sie eine Lösung bieten, wie die Industrie ihren Kohlenstoffausstoß verringern kann. „Das ist noch Zukunftsmusik“, so Wegener. „Aber wir forschen weiter. Und eines ist klar: Man darf die kleinsten Bewohner des Meeres nicht unterschätzen!“

Originalveröffentlichung

Beteiligte Institutionen

Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen

MARUM, Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen

Alfred-Wegener-Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven

K.G Jebsen Centre for Deep Sea Research and Department of Biological Sciences

University of Patras, Patras, Greece

The University of North Carolina at Chapel Hill, Chapel Hill, NC, USA

Rückfragen bitte an

Wissenschaftler

HGF MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie

Dr. Gunter Wegener

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1335

Telefon: 

+49 421 2028-8670

Dr. Gunter Wegener

Pressereferentin

Pressestelle

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 
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