Seitenpfad:

16.01.2013 Stromatolithen in einem vulkanischen Gebirgssee

Deutsch-argentinisches Forscherteam untersucht mikrobielle Ablagerungen auf dem argentinischen Hochplateau
 
Eine deutsch-argentinische Forschergruppe hat unter der Leitung von Lubos Polerecky vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie großflächige mikrobielle Ablagerungen im vulkanischen Socompasee in den Anden auf über 3500 m Höhe untersucht. Diese sogenannten Stromatolithen wurden zum ersten Mal in derart großen Höhen gefunden (Abbildung 1). Dr. Lubos Polerecky, der 2010 mit dem Biomaris Forschungspreis aufgezeichnet wurde, hatte damals angekündigt, das Preisgeld von 5000€ in die Erforschung der Seen auf dem argentinischen Hochplateau zu investieren. Eine detaillierte Beschreibung der Socompa-Stromatolithen veröffentlichten die Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift PLOS One.
Abbildung 1: Der Socompasee liegt auf 3570 m über dem Meeresspiegel. Dies ist der höchstgelegene Ort, an dem bisher aktiv wachsende Stromatolithen entdeckt wurden. Foto: L. Polerecky
Stromatolithen sind kuppenförmige biogene Strukturen im aquatischen Lebensraum mit einer charakteristischen Schichtung (Abbildung 2 A und B). Sie entstehen durch Sedimentablagerung sowie durch biologische Ausscheidung von Kalkverbindungen und deren Ablagerung. Cyanobakterien besiedeln die Stromatolithen besonders zahlreich, aber auch andere Organismengruppen sind vertreten. Fossile Stromatolithen stellen den frühesten und am weitest verbreiteten Nachweis für Leben auf der Erde dar. Daher ermöglicht uns die Untersuchung lebender Stromatolithen die Frühgeschichte der Erde besser nachvollziehen zu können. Stromatolithen, die noch aktiv wachsen, sind hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, unter extremen Lebensbedingungen zu finden.
Abbildung 2 A: Typische Stromatolithen vom Socompasee mit ihrer kuppelförmigen Oberfläche. Durch die vulkanische Aktivität ist das umgebende Wasser 20-24°C warm. Foto: L Polerecky.
Dr. Maria E Farías vom argentinischen Forschungszentrum CONICET und eine der Hauptautoren des PLOS One-Artikels, entdeckte 2009 Stromatolithen am Ufer des Socompasees auf dem argentinischen Hochplateau. Seine Lage in großer Höhe und die Nähe zu noch aktiven Vulkanen machen die Lebensbedingungen dort hart: Der Salzgehalt übersteigt den von Meerwasser um das dreifache, der Arsengehalt liegt bei drei Größenordnungen oberhalb des Grenzwerts für Trinkwasser und die UV-Strahlung in dieser Höhe ist gefährlich hoch. „In Anbetracht dieser extremen Bedingungen ist die mikrobielle Gemeinschaft in den Stromatolithen erstaunlich vielseitig“, sagt Lubos Polerecky. Ein ungewöhnlich hoher Anteil von Vertretern der Abteilung Deinococcus-Thermus sowie viele neue Gensequenzen mit bisher nicht zuzuordnenden Abstammungslinien machen die Besonderheit der mikrobiellen Gemeinschaft aus. „Wir nehmen an, dass die Vielseitigkeit der Gemeinschaft von der besonderen räumlichen Organisation der Stromatolithen profitiert: Bakterien, die zur Abteilung Deinococcus-Thermus gehören, sind oft sehr widerstandsfähig gegen UV-Strahlung. Sie leben an der Oberfläche der Stromatolithen, wo die UV-Strahlung hoch ist und ernähren sich von den organischen Stoffen, die die hochproduktiven Cyanobakterien in den Schichten darunter freisetzen. Im Gegenzug schützen sie die Cyanobakterien durch ihre spezielle Pigmentierung gegen die tödliche UV-Strahlung“, fügt Dr. Polerecky hinzu.
Abbildung 2 B: Beim Anschnitt eines Stromatolithen zeigt sich die scharfe Abgrenzung der Schichten gegeneinander. Die photosynthetischen Pigmente der Cyanobakterien geben den grünen Schichten ihre Farbe. Foto: L Polerecky
Ihre Fähigkeit, in einer von vielen Extremen geprägten Umwelt macht die Socompa-Stromatolithen zu einem hervorragenden Modellsystem, um die mikrobielle Anpassung an Bedingungen zu untersuchen, die zumindest teilweise in der frühen Erdgeschichte vorgeherrscht haben. Außerdem birgt der hohe Anteil an Gensequenzen, die vermutlich zu neuen Abstammunglinien gehören das Potential, gänzlich neue, unbekannte Gene und Proteine zu entdecken, die von biotechnologischem Nutzen sein könnten. „Nicht nur, aber auch deshalb verdient dieser besondere Lebensraum, der durch die Ausbeutung von Bodenschätzen bedroht ist, aktiven Schutz“, schließt Dr. Polerecky.


Weitere Informationen
Dr. Lubos Polerecky, +49 421 2028 834 [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Pressebüro
Dr. Rita Dunker +49 421 2028 856 [Bitte aktivieren Sie Javascript]
Dr. Manfred Schlösser +49 421 2028 704 [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Beteiligte Institute
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen

Centro de Investigaciones Geológicas, Universidad Nacional de La Plata-CONICET, La Plata, Argentina

Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, Mülheim an der Ruhr

Instituto de Agrobiotecnologia Rosario (INDEAR), Rosario, Santa Fe, Argentina

Instituto de Biotecnología y Biología Molecular (IBBM), Universidad Nacional de La Plata-CONICET, La Plata, Argentina

Facultad de Ciencias Naturales e Instituto Miguel Lillo, Universidad Nacional de Tucumán, San Miguel de Tucumán, Tucumán, Argentina

Laboratorio de Investigaciones Microbiológicas de Lagunas Andinas (LIMLA), Planta Piloto de Procesos Industriales Microbiológicos (PROIMI), CCT, CONICET, San Miguel de Tucumán, Tucumán, Argentina

Originalartikel
The Discovery of Stromatolites Developing at 3570 m above Sea Level in a High-Altitude Volcanic Lake Socompa, Argentinean Andes (2013). Farías ME, Rascovan N, Toneatti DM, Albarracín VH, Flores MR, Poiré DG, Collavino MM, Aguilar OM, Vazquez MP, Polerecky L. PLoS ONE 8(1): e53497.

Doi: 10.1371/journal.pone.0053497
Back to Top