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Harnstoff: Überraschender Kraftstoff für Meeresmikroben

10.12.2025
Was den Erfolg von Ammoniak-oxidierende Archaeen in nährstoffarmen Meeresregionen ermöglicht

Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie zeigen, dass Harnstoff eine wesentliche Energiequelle für ammoniak-oxidierende Archaeen (AOA) im offenen Ozean ist. AOA in Küstengewässern hingegen bevorzugen Ammonium. Die in Nature Communications veröffentlichte Studie legt nahe, dass organischer Stickstoff viel wichtiger für die Produktivität der Ozeane ist als bisher vermutet.

Sonnenuntergang über dem Meer
Wissenschaft auf See bietet manchmal wunderschöne Sonnenuntergänge. (© Tim Ferdelman / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

Ammoniak-oxidierende Archaeen (AOA) gehören zu den häufigsten Mikroorganismen im Meer, sie spielen eine zentrale Rolle im Stickstoffkreislauf. Doch trotz ihrer weiten Verbreitung rätseln Forschende seit langem, wie diese Mikroorganismen im nährstoffarmen Wasser des offenen Ozeans wachsen können, wo ihre wichtigste Stickstoff- und Energiequelle, Ammonium, oft nur spärlich vorhanden ist.

Eine neue Studie unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen löst nun einen Knackpunkt dieses Rätsels: Einige AOA nutzen neben Ammonium auch Harnstoff, eine weit verbreitete organische Stickstoffverbindung, als Energie- und Stickstoffquelle.

Das Forschungsteam untersuchte die beiden wichtigsten AOA-Gruppen im Meer: Nitrosopumilus, die typischerweise in nährstoffreichen Küstengewässern leben, und Nitrosopelagicus, die im offenen Ozean vorherrschen. Die Studie nutzt Daten von Expeditionen in drei sehr unterschiedliche Meeresregionen: den Golf von Mexiko, wo reichlich Ammonium vorhanden ist, die offenen Gewässer des Angola-Wirbels, wo es fast gar kein Ammonium gibt, und das Schwarze Meer, das in tieferen Gewässern eine hohe Ammoniumkonzentration hat, in dessen flachen Teilen jedoch fast gar kein Ammonium zu finden ist. Die jetzt in Nature Communications veröffentlichten Ergebnisse zeigen, warum die verschiedenen AOA-Gruppen in diesen unterschiedlichen Meeresregionen leben.

Zwei Mikroorganismen, zwei Strategien

Die Max-Planck-Forschenden zeigen, dass die Küstengattung Nitrosopumilus am liebsten Ammonium nutzt. Harnstoff nutzt sie nur dann, wenn Ammonium knapp ist. „Nitrosopumilus wächst schnell, wenn Ammonium verfügbar ist. Damit ist die Gattung gut gerüstet für das Leben in ammoniumreichen Küstengewässern“, sagt Erstautorin Joerdis Stuehrenberg.

Die im offenen Ozean vorkommende Gattung Nitrosopelagicus verhält sich ganz anders. Sie nutzt sowohl Ammonium als auch Harnstoff gleichermaßen gut und verwendet Harnstoff auch dann, wenn reichlich Ammonium vorhanden ist. Diese Gattung scheint perfekt an das Leben in nährstoffarmen Gewässern angepasst zu sein. „Nitrosopelagicus-Zellen haben mehr Möglichkeiten“, sagt Katharina Kitzinger, ebenfalls Erstautorin der Studie. „Wenn sowohl Ammonium als auch Harnstoff vorhanden sind, können sie ihre Wachstumsrate sogar verdoppeln, indem sie beides gleichzeitig nutzen.“

Die meisten vorliegenden Untersuchungen beschäftigen sich mit der Nitrifikation auf Basis von Ammonium. Die nun vorliegende Forschungsarbeit legt aber nahe, dass Harnstoff und möglicherweise auch andere organische Stickstoffverbindungen eine weitaus größere Rolle für die Produktivität der Ozeane spielen könnten als bisher angenommen. „Wir unterschätzen womöglich die Nitrifikationsraten in den ausgedehnten, nährstoffarmen Meeresgebieten“, sagt Mitautorin Hannah Marchant.

Pump CTD an Bord
Vorbereitung der Pump-CTD für den Einsatz im Schwarzen Meer. (© Jana Milucka / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

Einzelzell-Nachweis für unterschiedliche Lebensweisen

Um genau zu bestimmen, welche AOA welche Stickstoffquellen nutzen, mussten die Forschenden Nitrosopumilus und Nitrosopelagicus voneinander unterscheiden. Das war aber mit den vorhandenen molekularen Werkzeugen nicht zuverlässig möglich. Daher entwickelten sie neue, hochspezifische Sonden, um die beiden Gruppen unter dem Mikroskop visuell auseinanderhalten zu können. Mit diesen Sonden konnten die Forschenden mithilfe von NanoSIMS-Bildgebung verfolgen, wie die einzelnen Zellen einer Gruppe Stickstoff verwerten. „Mit den neuen Sonden konnten wir sehen, wer in gemischten Gemeinschaften wie denen im Schwarzen Meer welche Rolle spielte“, sagt Stuehrenberg. „In Kombination mit den NanoSIMS-Analysen zeigen wir, dass Nitrosopumilus hauptsächlich mit Ammonium wuchs, während Nitrosopelagicus sowohl Ammonium als auch Harnstoff nutzte und selbst dann noch Harnstoff verwendete, wenn es reichlich Ammonium gab.“

Bedeutung für den weltweiten Nährstoffkreislauf

AOA, insbesondere Nitrosopelagicus, gehören zu den am häufigsten vorkommenden Mikroorganismen in den Ozeanen. Dass sie Harnstoff und andere organische Stickstoffquellen nutzen können, beeinflusst vermutlich stark, wie Nährstoffe im Meer verfügbar sind und in weiterer Folge auch die Primärproduktion im offenen Ozean und den globalen Kohlenstoffkreislauf.

„Es ist sehr wichtig, dass wir verstehen, was diese Mikroorganismen antreibt“, sagt Marcel Kuypers, Letztautorl der Studie. „Sie spielen eine bedeutende Rolle im Stickstoffkreislauf, und ihre Aktivität trägt dazu bei, die Nährstoffverfügbarkeit im Ozean und die globale Kohlenstoffbilanz zu steuern.“

Forscherin am Mikroskop
Jördis Stührenberg arbeitet am Epifluoreszenzmikroskop und markiert Zellen für nachfolgende NanoSIMS-Analysen. (© Carolin Otersen / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

Originalveröffentlichung

Joerdis Stuehrenberg, Katharina Kitzinger, Jan N. von Arx, Jon S. Graf, Gaute Lavik, Sten Littmann, Jana Milucka, William D. Orsi, Sina Schorn, Daan R. Speth, Aurèle Vuillemin, Siqi Wu,Hannah K. Marchant & Marcel M. M. Kuypers (2025): Urea use drives niche separation between dominant marine ammonia oxidizing archaea. Nature Comunications 16, 10946 (2025).

DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-67048-1

Beteiligte Institutionen

Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen, Deutschland

Universität Wien, Wien, Österreich

Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland

College of Ocean and Earth Sciences, Xiamen University, Xiamen, Fujian, China

MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften Universität Bremen, Bremen, Deutschland

Rückfragen bitte an:

Wissenschaftlerin

Forschungsgruppe Biogeochemie

Dr. Hannah Marchant

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

3135

Telefon: 

+49 421 2028-6306

Dr. Hannah Marchant

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 
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